Kiki: Spinnen mit Finnen


Jedem Label seinen Finnen. Mit Kiki stellt sich Bpitchcontrol jetzt einen Wahlberliner ins Regal, der die finnische Melancholie als erklärter Synth-Pop-Hasser vierviertelig verschunkelt. Dogmatismus? Keine Ahnung, was das ist.

Der gemeine Finne ist ein putziger Geselle. Meistens blond, trinkfest – ist klar – humorvoll und mit der einzigartigen Gabe versehen, der deutschen Sprache ein ureigenes drolliges Stolpern einzuhauchen. So er denn gewillt ist, sich mit ihr näher zu befassen und nicht lieber auf Englisch ausweicht. Das alles kombiniert mit entwaffnender Lässigkeit und grundfreundlichem Habitus – also ich mag Finnen. Auch wenn sich die Anzahl der mir bekannten Abkömmlinge dieses Landes an einer Hand abzählen lässt und damit meine gemeinen Generalisierungsversuche zu wilden Thesen degradiert werden. Was sie ja auch sind. Kiki jedoch, der gerade aus dem Urlaub kommend mit einer Extra-Portion Lässigkeit ausgestattet, mir anlässlich seines ersten Albums am Telefon Rede und Antwort steht, passt genau in mein Vorurteilsgefüge. Wie praktisch, so einfach kann die Welt sein.

Duftet gut, der Kiki

Dabei ist sein nun anstehendes Debut-Album namens “Run with me” weit weniger einfach zu klassifizieren. Zuviel Anleihen aus zu vielen Ecken, um ihm ohne weiteres Aufheben einen Stilstempel aufdrücken zu können, wie man das ja so gerne macht. Von kopfiger Sperrigkeit jedoch keine Spur. Zu lässig, ja fast gefällig, fließen hier die Zutaten aus den diversen Zitatkistchen zusammen. Mir nichts dir nichts werden da haarsträubende Referenzfäden gesponnen. Zwischen blubbernden Synthielines, die nach Haarspray und 80er duften, Streichern und Violinen, die jedes Cineasten-Herz erweichen, weich gummierten Bässen, die auf den Tanzflur abzielen, und Melodien, die irgendwo zwischen Detroit und skandinavischer Melancholie zu verorten sind. Weite Hallräume fehlen da genauso wenig wie eine gehörige Portion Finsternis, wie im ersten und wohl markantesten Track des Albums “The End of the World”. Gegen solche Crosslinks sind lange Hängebrücken zwischen nordischen Inselchen Kinderspielzeug und viel zu starr, um mit Kikis leichtfüßiger Biegsamkeit mithalten zu können. Kunststück, sind ja auch aus Beton, die Dinger.

Ich will trotzdem wissen, woher denn Kiki seine musikalischen Referenzfäden bezieht. “Ich hab da keine Liste im Kopf”, verkündet er mir am Telefon, “die Einflüsse kommen eher aus den verschiedenen Phasen, die man so durchmacht. Mit acht oder neun Jahren habe ich mit ein paar Kumpels eine Band gegründet. Damals fanden wir KISS und andere Heavy-Metal-Bands cool. Dann kam HipHop, dann die Indiephase, später erst, Anfang der 90er, habe ich angefangen mich für elektronische Musik zu interessieren und bin dann schließlich 1994 nach Berlin gezogen.” Das erklärt einiges, aber nicht den Eighties-Flavour, der sich als roter Faden durch mindestens jeden zweiten Track auf dem Album zieht und mit seiner gut abgehangenen Melancholie zwischen Coolness und Sweetness irgendwie auch den Charme des Ganzen ausmacht. Doch damit will Kiki nichts zu tun haben: “Ich war nie ein Synthiepopper. Glatte Synthie-Sounds habe ich gehasst. Daher kam vielleicht die Liebe zum HipHop. Ich mochte die ‘DIY’-Attitude, die HipHop vor allem am Anfang verkörperte. Wenn ich 80er-typische Elemente benutze, dann eher unbewusst.”

Finnische Roots

Da bin ich wohl in die Melancholie-Falle getappt, vielleicht muss man einfach genauer zwischen 80er-Klangästhetik und skandinavischen Einflüssen differenzieren? “Melancholie ist auf jeden Fall dabei. Vielleicht wirklich durch meine finnischen Roots. Tango ist ja auch sehr groß in Finnland, vielleicht wegen der langen Winter. Es gibt nur drei Länder, in denen melancholische Musik richtig groß ist: Argentinien, Japan und eben Finnland. Hab ich zumindest mal gehört.” Das leuchtet mir ein, schließlich ist diese leicht tragische Grundstimmung für mich auch der augenfälligste Unterschied zu Kikis Gemeinschaftsproduktionen mit Silversurfer, die auf dem Crosstownrebels-Label ja durchaus durch überschwängliche Euphorie zu begeistern wussten. Wo sieht er denn da die größten Unterschiede? “Auf jeden Fall in der Arbeitsweise.” (lacht) “Silversurfer und ich sind sehr verschieden. Wenn wir zusammen im Studio sind, reden wir kaum. Alles klappt von alleine. Das erste mal, als wir zusammen im Studio waren, haben wir in zwei Stunden einen Track gemacht, ohne zu reden, und haben dabei wie die Blues Brothers nur mit dem Kopf genickt.” Da bleibt mir nur mitzunicken und zu hoffen, dass sich Kiki in den ganzen Zitatfäden nicht irgendwann verheddert. Jetzt da das Frühneunziger-Trance-Revival in der Tür steht.

Dieser Artikel erschien im Magazin DE:BUG.

 


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