I:Cube: House? Auch…klar


House? Nicolas Chaix aka I:Cube will weiterkommen, verändern und vor allem mehr. Der Franzose featured RZA, zwinkert mit den Augen und entwirft feinfühlig Klangwelten voller Vielfalt. Quasi-House, der sich umgehört und gewaschen hat: das neue Album ”3” erteilt dem Genre-Purismus eine Absage, ohne seine Herkunft zu leugnen.

Schüchterner französischer Housejunge ohne Kraftstudio-Erfahrung, dafür mit Freistillattitüde trifft bärbeißigen US-Rapper mit Oberarmen. Gilb’R, der Macher des französischen Vorzeige-Labels Versatile und musikalischer Kumpel von I:Cube, hat vermittelt. So kommt es mehr spontan als lang geplant zustande, dass in den Berliner Jazzanova-Studios Nicolas Chaix aka I:Cube auf den Wu-Tang Vertreter RZA trifft. Nacht-und-Nebel-Aktion, I:Cube hat den Track schon vorproduziert und sich mit dem Zug schnell auf den Weg nach Berlin gemacht, RZA muss nur noch die Lyrics beisteuern. Das Ergebnis: ein massiver HipHop-Track im clonkig digitalen Soundgewand. “Can you deal with that?” heißt der Titel, und das müssen sich nun auch alle die fragen, die I:Cube noch immer unter “House made in France” verbuchen wollen.

Knickt I:Cube House? Nein, aber er macht Ernst. Und Schluss. Ernst mit Freistil, einem Begriff, der ungute Vorahnungen weckt und den man eher mit Schwammigkeit erster Güte und nicht mit musikalischer Frische verbindet. Und Schluss mit konservativistischen House-Definitionen, denn auf seinem neuen Album spannt Nicolas Chaix so selbstverständlich den Bogen zwischen minimalistischen Ansätzen und fluffig dahinhüpfenden Offbeats, sonnig entspanntem Quasi-House oder eben auch veritablem HipHop, dass sich House-Puristen bitte sofort beschämt in die Besserwisser-Ecke verkriechen müssten. Drittes Album, Albumtitel: “3”. Ganz bescheiden und sachlich, wie auch Nicolas Chaix als Person eher freundlich zurüchhaltend ist. Man weiß nicht genau, ob es nun Höflichkeit ist, aber eigentlich will man es sofort als Feinfühligkeit auslegen, sobald man ihn irgendwie zu seiner Musik in Bezug setzen will: Schichtet er doch feingliedrig die Sounds aufeinander, gleichzeitig behutsam und trotzdem kickend, und eröffnet damit faszinierende, oft irgendwie zwischen heiter und nachdenklich wirkende Mikro-Atmosphären, dass man ihm sofort auch außerhalb der Musik sensibelstes Fingerspitzengefühl unterstellen möchte. Und Humor: Denn droht es irgendwo ins allzu Harmonische zu kippen, folgen sofort listig kleine Sampelgemeinheiten, die im Hintergrund Unruhe stiften.

Weit weg von früheren Filterhouse-Eskapaden, nicht so nah am Dancefloor wie die Brique-Rouge-Posse, scheint Nicolas Chaix die Essenz aus verschiedenen Genres regelrecht zu destillieren, um sie dann leichtfüßig und augenzwinkernd zu verschmelzen, die Einflüsse für seinen House-not-House-Ansatz sind weit gestreut: “Disco, HipHop aus den frühen Achtzigern, Soundtrack und viel moderne Musik, ich höre wirklich Sachen aus unterschiedlichsten Richtungen. Selbst wenn mich das nicht direkt beeinflusst, bringt es mich auf neue Ideen, wie ich die Sounds kombinieren kann. Ich habe zwar schon immer Musik jenseits von House und Techno gehört, aber irgendwie wird mir das in letzter Zeit immer wichtiger.” Andererseits gibt es da natürlich noch seine alte Liebe zu Detroit und auch Anstöße, die aus dem Mikrokosmos der elektronischen Musik selbst kommen: “Im Moment beeinflussen mich da eher die deutschen Minimal-House-Sachen. Das Frankfurter Label Playhouse finde ich gut, oder auch das Soundhack-Projekt, ich mag diese Herangehensweise des Minimal-Samplings.”

Zurück zu den Aufschriften für die imaginären Plattenfächer im Kopf, was ist nun mit House? “Keine Ahnung, ob dieser Begriff noch irgendwas bedeutet. Es gibt so viele Richtungen, Szenen, Orte, Sounds, man kann das nicht mehr auf nur ein Genre reduzieren. Nur ein paar letzte Puristen könnten wirklich eindeutig definieren, was House ist und was nicht, im Sinne von ‘Das ist von dem DJ, aus der Ecke, aus der und der Zeit …’, dabei will ich diesen Einfluss gar nicht ablehnen, aber ich glaube, es ist Zeit für ein paar Veränderungen. Auch wenn ich in meinem Album natürlich ein paar Old-School-Snippits eingebaut habe, finde ich es spannender, nach vorne zu blicken.” Gesagt, getan. Et voilá, ein weiteres Mosaiksteinchen mehr für den Grabstein des konservativen House.

Dieser Artikel erschien im Magazin DE:BUG.

 


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