Francesco: Italo-Monoploy


Der Römer Francesco gehört zu dem Kreis um Marco Passarani, der das Italodisco-Erbe mit aktuellem Minimaltechno-Wissen abgleicht. Solo geht er kosmischer, als man ihn sonst lässt.

Es gibt Neues zu berichten aus Rom. Nein, diesmal geht es nicht um Marco Passarani, den hat ja sowieso jeder, der entfernt etwas mit der Pigna-typischen Melange aus herzlich frischem Techno, Electro samt Italo-Reminiszenzen anfangen kann, fest ins Herz geschlossen. Es geht um Francesco de Bellis, der zusammen mit Marco Passarani und Mario Pierro Teil des ominösen Triumvirats ist, das in wechselnden Besetzungen für die Aktivitäten hinter Nature Records, Jolly Music, der Quasi-Dachmarke Final Frontiers und natürlich dem Nature-Sublabel Pigna verantwortlich ist. Stand Francesco bisher etwas im Windschatten von Everybodys Darling Passarani, ist es nun mehr als überfällig, sein vielseitiges Schaffen separat zu goutieren. Hat er bisher in verschiedenen Kombis wie Riders of the Lost Arp (mit Mario Pierro zusammen) oder als Pigna People (mit Marco Passarani) von sich reden gemacht, wagt er nun sein erstes Soloprojekt und bringt als Francisco sein Album namens “Music Business“ auf Nature Records heraus.

Eine seltsame Zeit

Wie Marco so ist auch Francesco jemand, der aus der Tatsache, dass er in Rom in einer Flut aus kommerziellem Dancefloor-Schmonsens beinahe ertrinkt und im anderen Extrem nix mit hierzulande populären Partikelschraubereien am Hut hat, eine Menge an Schubkraft für seine eigene musikalische Vision zu gewinnen weiß: “Wir leben in einer seltsamen Zeit, es gibt sehr wenig gute Musik. Da höre ich lieber 20 Jahre alte Italo-Platten, das ist für mich wie neue Musik, da ich damals zu jung war, um diese Ära mitzuerleben.“ So hat er sein Herz hoffnungslos an Italo verloren und mit seinem Album seinem Respekt vor dieser House-Blaupause ein Denkmal gesetzt. Allerdings nicht mit der Attitüde des Festhaltens und/oder Zurücksehnens zu vermeintlich guten alten Zeiten. Dazu ist seine Version von Italo im Jahre 2005 viel zu fresh geraten. Psychedelische Space-Disco ohne unnötige Patina, in der Hedonismus, Abfahrt und Melancholie im produktivsten Sinne zusammengeschmissen werden. Obwohl der 29-jährige Römer beim Equipment lieber einen Schritt zurückgeht und mit Mini-, Micro- und Polymoog am liebsten voll auf Vintage-Gear setzt, für aktuelle Softsynths bleibt da allenfalls ein Naserümpfen. Dafür strotzen seine Tracks nur so vor Wärme und analogem Druck und kommen mit einer fast rührenden Authentizität daher.

Blaupause Italo

Das, was auf seinen clubbigen Pigna-Releases keinen Platz findet, dekliniert er auf dem Album durch, besagte Space-Disco eben. So machen seine Stücke nicht nur im Club Sinn, sondern machen auf den iPod gezogen jede S-Bahn-Fahrt zum psychedelischen Trip. Die Purheit seiner Sounds und die verkappte Tragik hinter seinen Melodien lässt einen das ein oder andere Mal schmunzeln. Dabei entbehrt sein Blick auf die 80er nicht eines gewissen Humors: So hat er den Albumtitel “Music Business“ wörtlich genommen und ins Booklet der CD als ausklappbares Gesellschaftsspiel gepackt. Vom Spielprinzip her wie bei Monopoly kann man hier seinen Weg vom Indie-Fuzzi bis an die Spitze der Charts nachspielen, inklusive realistischer Features wie “Deine Platten wurden geklaut“ oder “Du musst wegen Drogenbesitzes ins Gefängnis, eine Runde aussetzen“. Dabei hat sein Album keine Gimmicks nötig. Eher erinnert es in seiner musikalischen Tragkraft und Frische daran, wie Italo mal als Impulsgeber auf den Dancefloors in Chicago und Detroit nicht ganz unwichtig war bei der Entstehung von House und Techno. Ob sich die Geschichte wiederholt oder nicht, von mir aus könnte sich gerne der ein oder andere Produzent eine dicke Scheibe von Francescos Schaffenskraft abschneiden.

Dieser Artikel erschien im Magazin DE:BUG.


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