Boy Robot: Dub ist ein Vorort von Uppsala


Das nordeuropäische Duo Möller/Zorn lässt sich nicht korrumpieren: nicht von dubbigem Hall, nicht von schluffigen Beats, nicht von dürftigen Dance-Melodien. Als „Boy Robot“ drehen sie mit der Software „Live“ diese Untiefen auf links und modeln sie zu herbstgoldensten Höhen um.

Waren sie schon mal in Schweden? Haben sie die Nebelbänke über die Fjorde ziehen sehen oder sich laue Mitsommernächte um die Ohren geschlagen? Also ich nicht. Aber genau so klingt die Musik von Boy Robot. Nordische Klangwelten, nebelweiche Melodien über tiefgefrorenen crispen Beats, die Melancholie tropft von den Dächern kleiner Blockhäuschen. Dazwischen strahlender Sonnenschein und immer wieder: Dub – musikgewordene Sehnsucht nach dem Süden, nicht als fester Ort, sondern als irgendwo, wo alles warm und das Leben leicht ist, wo man auch mal ohne Moonboots aus dem Haus gehen kann. Also baut man sich eine Brücke aus Reverbs und Delays rüber von Berlin und Skandinavien in verheißungsvoll balearische Gefilde.

Boy Robot, das sind der Schwede Hans Möller, sonst Teil des schwedischen Projektes Boulderdash, und der Berliner Michael Zorn, bekannt von seinen Releases auf Lux Nigra. Kennen gelernt haben sich beide in Berlin, bei ihrem damaligen gemeinsamen Arbeitgeber Ableton, Hans als Programmierer, Michael als Marketing-Mann. Und was liegt da näher, als das Produkt – die Sequencing-Software “Live” – an dem man gemeinsam gearbeitet hat, mal Sonntags bei Kaffee und Kuchen gemütlich auszuprobieren? Nichts eigentlich, zumal beide schon erfolgreiche Solo-Projekte und andere musikalische Kooperationen betrieben hatten.

Und so kam es, dass man, nachdem man durch einen Remix entdeckt hatte, wie gut man sich musikalisch ergänzt, sich öfter mal zum gemeinsamen Produzieren traf. Dabei steuert jeder seinen Teil bei, Michael die für ihn typischen Laptop-Beats aus seiner Lieblings-Sample-Schleuder Fruity Loops, Hans die mit Harmonika oder softwareseitig mit Cubase & Co eingespielten Melodien, oder auch mal umgekehrt. Die Schnittstelle, auf der beides zusammengeführt wird – Live. Na klar. Einmal angestoßen, geht dann wie bei der erwähnten Software alles wie von selbst. Ohne groß darüber nachzudenken, was man da eigentlich macht, wird aus dem sonntäglichen Produzieren ein Album, das den Spagat zwischen Laptop und Instrument, zwischen Berlin, Skandinavien und Dub zu einem runden Ganzen verschmilzt, ohne dass man die musikalische Distanzüberwindung zu spüren bekommt, als wäre Dub ein Vorort von Uppsala. Schließlich werden die beiden noch vom Kaffeetisch weg gesignt und treffen mit dem Album-Releasetermin im November punktgenau den musikalischen Nerv am Übergang zwischen Herbst und Winter.

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War es geplant, euer Album “Glamourizing Corporate Lifestyle” im November rauszubringen, mir erscheint das Marketing-technisch sehr geschickt.

Michael: Eigentlich hatten wir gar nicht vor, die Sachen überhaupt rauszubringen. Wir haben einfach nach einem Remix, den Hans für mich gemacht hat, gemerkt, wie gut wir uns musikalisch gegenseitig vervollständigen und dann angefangen, zusammen Tracks zu machen. Als einem der ersten hatten wir sie Thaddeus Herrmann von City Centre Offices gezeigt, und der wollte dann eigentlich ziemlich sofort ein Album von uns auf seinem Label rausbringen. Aber von vornherein geplant war das nicht.

Debug:
Ihr kombiniert diese typisch schwedischen, leicht tragischen Melodien mit relativ schnellen Rhythmen und balearisch wirkenden Elementen. Wessen Handschrift scheint hier durch, oder wollt ihr nur vermeiden, in den Downbeat-Topf geworfen zu werden?

Hans: Mir ist einfach beides wichtig. Schöne Melodien und gute Rhythmen. Reine Dance-Tracks hangeln sich manchmal einfach an relativ dürftigen Melodien entlang, die dann durch ein paar Filter gejagt werden und fertig. Und schöne Melodien mit einem schluffigen Downbeat drunter sind einfach manchmal sehr, sehr langweilig.

Michael: Ich mag einfach komplexe Rhythmen. Ich hab auf meinem ersten Solo-Album schon einen ähnlichen Ansatz verfolgt und versucht, ambiente Melodien mit teilweise fast Gabba-ähnlichen Beats zu verknüpfen, insofern ist das für mich die Fortsetzung dieses Ansatzes.

Debug:
Wie wichtig ist euch Dub?

Michael: Jeder sagt, oh ja, da sind diese Dub-Elemente in eurem Album. Das kam aber eher einfach so, als dass das irgendwie geplant gewesen wäre. Wir sind da ja auch ohne ein Konzept rangegangen, wir haben einfach gemacht, was uns gefällt und Spaß macht, und sind deshalb auch selbst ziemlich erstaunt, dass da so ein rundes Ergebnis bei rausgekommen ist. Aber für die Zukunft würden wir diese Dub-Elemente gerne wieder loswerden, denn dass ist definitiv nicht die Richtung, in die wir gehen wollen.

Debug:
Wohin wollt ihr stattdessen?

Micheal: Wir haben eigentlich nach diesem Album für uns entschieden, diese Dub-Elemente wieder loszuwerden. Einfach mal trockenere Sachen ausprobieren. Weniger Reverb, das ist so die Richtung, in die wir jetzt gehen wollen.

Debug:
Also um das Etikett “Dub” wieder loszuwerden?

Michael: Ich seh das nicht als Etikett, ich denke eher, das ist eine Geschmacksfrage. Die Sachen sollen deuticher, weniger fluffy sein. Es ist halt relativ einfach, Sachen zu machen, wo alles fließt und sich auf dubbige Art und Weise ändert. Da würde ich schon gerne eine festere Struktur reinbringen. Einen Track von Grund auf strukturieren, einen klaren Break setzen, nachdem sich dann viel ändert. Auch wenn man da natürlich mehr falsch machen kann, wirkt das, wenn man es gut macht, stärker als etwas, das sich einfach nur irgendwie ein bisschen ändert und sich sonst einfach nur ganz nett anhört.

Debug:
Eure Melodien sind eher weich, diffus und leben von Andeutungen, würdet ihr dann auch andere Sounds, z.B. klarer modulierte Lead- oder Melodiesounds benutzen wollen?

Michael: Ich denke, dass ist nicht so wirklich von den Sounds abhängig, die finde ich auch nach wie vor gut und würde sie auch beibehalten, es geht glaube ich eher darum, wie man die Sounds behandelt. Vielleicht könnten wir ja den Delay wieder loswerden.

Debug:
Wie geht es weiter? Spielt ihr auch live zusammen?

Michael: Auf jeden Fall weniger Hall und Reverb (lacht).

Hans: Wir sind gerade dabei zu überlegen, wie wir unsere Musik auch live spielen können. Wir haben nämlich einen Gig im Januar und bis jetzt wissen wir nur, dass wir definitiv nicht nur mit Laptops auf der Bühne spielen wollen.

Dieser Artikel erschien im Magazin DE:BUG.



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