Alex Smoke: Glasgow grüßt Jena


Von der Insel in die Welt zwischen Uk-Rave und Elektronika. Der Schotte schafft die Landung zwischen diesen Welten, ohne seine Zuneigung zum Club zu vergessen.

Robag Wruhme und Jena sind weit vorne, was minimalen Techno aus Deutschland betrifft. Das bleibt auch in England nicht unbemerkt und so steuert Glasgows Label-Schlachtschiff schlechthin, Soma Records, mit Alex Smoke an Bord ganz langsam neuen Gewässern zu. Abseits der UK-Rave-Attitüde tun sich dabei unverhofft neue Soundwelten auf. Sogar einer Öffnung in Richtung Elektronika scheint nichts mehr im Weg zu stehen – auch wenn deren sensibel bis melancholisches Gefühlskostüm dem der klassischen UK-Ravemucke, wenn überhaupt, bislang eher diametral gegenüber stand. Alex Smoke aus Glasgow macht mit seinem Album “Incommunicado” nun den vielschichtigen Vorreiter. Eine Punktlandung in der Welt dazwischen.
Nein, das ist nicht das Ende der typisch englischen Vertonung einer gepflegten Abfahrt. Dave Clark und Konsorten werden das Ruder sicher nicht so schnell aus der Hand geben und der gemeine Lad wahrscheinlich auch weiterhin für genügend Nachfrage nach Techno der rustikalen Machart sorgen. Dabei spielen mittlerweile auch im Londoner Fabric Club Minimalismus-Verfechter wie Pier Bucci, Ricardo Villalobos oder Akufen. Labeltechnisch gibt es dort zarte Pflänzchen wie die Crosstown Rebels, die wenigstens ungefähr in diese Richtung sprießen. Währenddessen zeigt sich Glasgow aufgeschlossen und setzt mit Alex Smokes Debut-Album diesem neuen Style ein erstes Denkmal.

Vom Chorsänger zum DSP-Typ

Der 25-jährige Schotte namens Alex Menzies bringt dabei einiges an Rüstzeug mit, um festgefahrene musikalische Kartographien ordentlich aufzumischen: einen vielseitigen musikalischen Background (vom Schulchor übers Cello zum Sound-Engineering-Kurs) sowie eine ausgeprägte Liebe zum Club. Dazu orientiert er sich in Sachen Vorbildern und Inspirationsquellen mehr in Richtung Festland, als vielleicht gemeinhin in England üblich: “Diese DSP-Typen”, nennt mir Alex am Telefon als wichtigste musikalische Einflüsse. Damit meint er Luciano, Ricardo Villalobos, Mathew Dear, aber natürlich vor allem Robag Wruhme. Das erklärt seine Vorliebe für die Kombination aus kickend-minimalen Clubtracks mit DSP-Schwurbel-Ästhetik samt Jenas Trademark-Hallräumen. Dazwischen jedoch die Relikte seines klassischen Musikwissens: melancholisch-darke Chordstränge und komplexe Melodien. Wobei er genauso wenig vor Mentasm-Sounds und schmatzenden Bleeps wie vor Piano-Parts und IDM-Exkursen zurückschreckt und mit dieser eigentümlichen Kombination plus ausgefuchster DSP-Produktionstechnik auch die Originalität seines musikalischen Terrains absteckt. Ob er denn depressiv sei, bei all dem “Doom and Gloom“ in seiner Musik, wird Alex öfters gefragt. “Ich bin eigentlich ein ziemlich optimistischer Mensch“, kommt prompt die fröhliche Antwort aus Glasgow. Warum sollte er auch, wer derart überzeugend den alten Produzentenhasen musikalisch die Leviten liest, hat schließlich allen Grund, gut drauf zu sein.

Seine kickendsten und für seine Verhältnisse euphorischsten Tracks finden sich allerdings nicht auf dem Album, sondern auf seinen Maxis für das deutsche Label Vakant. Die laufen bestimmt auch bei den Minimal orientierten Clubnächten in Glasgow hoch und runter, von denen Alex berichtet: “Minimal übernimmt so langsam Glasgow. Im Subculture Club, im Casa Futura oder im Kinky Afro – ehemals House orientiert – immer mehr Clubs in Glasgow vertreten diesen Stil.” Dabei schlagen Alex’ Tracks ihre Wellen weit über den heimischen Radius hinaus, egal ob Andrew Weatherall, DJ Hell oder Rolando – er kriegt jede Menge Lorbeeren von den Alt-Ehrwürdigen. Auf diese Reaktionen angesprochen, gibt der schüchterne Schotte jedoch nur ein lapidares “Yes, nice” von sich. Er kann also auch in Sachen Tiefstapelei mit der sonstigen Minimal-Posse mehr als mithalten. Generationswechsel, ick hör’ dir trappsen!

Dieser Artikel erschien im Magazin DE:BUG.

 


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